“Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist die häufigste Erblindungsursache in Industrienationen” – so heißt es in einer Pressemitteilung bei idw, dem Informationsdienst Wissenschaft. 4,5 Millionen, schätzt man, leiden in Deutschland an AMD. Die Stelle des schärfsten Sehens auf der Netzhaut (Makula) wird zunehmend geschädigt. Die Patienten können nicht mehr lesen, die Fähigkeit zur selbstständigen Lebensführung geht verloren. Über die Ursachen des Leidens wussten Augenärzte bislang vergleichsweise wenig: Erbfaktoren spielen eine Rolle, aber auch beeinflussbare Faktoren wie das Rauchen.
Neue Untersuchungen zeigen: Genetisch bedingte Veränderungen in der Regulation des körpereigenen Immunsystems beeinflussen das Risiko, an einer AMD zu erkranken.
Eine Vielzahl aktueller Untersuchungen belegt inzwischen die Beteiligung des Immunsystems an der Entstehung der Krankheit. Genetisch bedingte Varianten einer Gruppe von Proteinen (Eiweißstoffen), die bei der Regulierung des körpereigenen Abwehr- und Entzündungssystems eine Rolle spielen, beeinflussen das Erkrankungsrisiko. Diese Proteine aktivieren und hemmen das sogenannte Komplementsystem, die erste Abwehrfront des angeborenen Immunsystems gegen Krankheitserreger. Darüber berichtete auf dem Forschungskolloquium der Pro Retina-Stiftung in Potsdam gestern Professor Peter Zipfel vom Leibniz Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena: Genetisch bedingte Veränderungen des Komplementfaktors H führen beispielsweise dazu, dass dieser Hemmstoff die Aktivität des Komplementsystems weniger effektiv bremsen kann. “Wir vermuten”, sagt Zipfel, “dass eine Störung der Kontrolle des Komplementsystems zu einer chronischen entzündung im Bereich der Netzhaut führt.”
Untersuchungen eines deutsch-englischen Forscherteams um Dr. Hendrik Scholl von der Universitätsaugenklinik in Bonn, das von der Pro Retina-Stiftung finanziell unterstützt wird, haben nachweisen können, dass das Komplementsystem bei AMD-Patienten im ganzen Körper überaktiv ist.
Die Forscher hoffen, dass sich die neuen Einsichten in den Erkrankungsprozess in diagnostische und therapeutische Konsequenzen für AMD-Patienten ummünzen lassen. “Relevant dürften diese Einsichten beispielsweise für die Frühdiagnostik werden”, erklärte in Potsdam der Präsident der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, Professor Frank Holz von der Universitäts-Augenklinik Bonn. Ebenso hoffen die Forscher auf weitere Angriffspunkte für neue Therapien.